Warteschleifen
Auf der Autobahn des Lebens staut es sich mal wieder.
Gewaltig.
Zähflüssig.
Verdammt!
Entnervt puste ich mir eine Ponysträhne aus dem Gesicht. Ich sehe übrigens mit Haarsträhnen im Gesicht alles andere als Verführerisch aus, wie es einem sonst immer in diesen Romanen suggeriert wird. Nein, ich sehe damit eher ein wenig behämmert aus.
Eigentlich ist die Autobahn des Lebens auch gerade eine klitzekleine Übertreibung. In Wahrheit stehe ich gerade an einem wunderschönen Samstagmorgen an der Supermarktkasse an. Hier ist es allerdings genau so wie sämtlich und sonders beschrieben: ich habe mir wie immer die allerallerlangsamste Kassiererin mit den allerallerumständlichsten Kunden herausgesucht. Es schneckt also so vor sich hin.
Dahingehend ist meine Intuition einfach nicht zu überbieten. Immer wieder gelingt es mir mit einer spielenden Zielsicherheit die Kasseschlange herauszusuchen an der sich münzwühlende Rentner, nach Süßigkeiten quäkenden Kleinkinder in symbiotischer Verschlingung mit der jeweiligen Mutter, Menschen mit der elenden Ruhe weg und kompliziert eskalierungswütige Reklamationstypen tummeln.
Tja. Nun ja. Stoisch staue ich also vor mich hin. Die Schlange wechseln bringt nichts. Diese Einsicht beruht auf langjähriger Erfahrung: Ich ziehe Umständlichkeiten und Verzögerungen magisch an.
Ich puste erneut die haarsträubende Strähne aus dem Gesicht und seufze leise. Langsam wird mir auch noch unangenehm warm in meiner Winterjacke. Ich tripple nervös von einem Fuß auf den anderen.
In meiner Wohnung wartet der Lover des Jahrtausends und ich verbummle wertvolle Lebens- und Liebeszeit, nur weil ich ihn mit Lachs und Sekt zum Frühstück beeindrucken will.
Ihn, habe ich gestern auf einer Hochzeit kennen- und sofort lieben gelernt.
Oh, er ist einfach der Tollste und Beste und Schönste. Das habe ich sofort gespürt. Hier kann ich mich immer voll und ganz auf meine Intuition verlassen. Ehrlich.
Gut.
Als ich die Einladung von Susi und Frank erhielt, die sich an einem Freitag dem 13. das Ja-Wort geben wollten, war ich nicht hundertprozentig überzeugt, ob das wirklich so eine gute Idee sein würde. Jetzt, im Nachhinein betrachtet, da er sich gerade noch schlafend zwischen von unseren Liebessäften durchtränkten Laken befindet, denke ich: Danke Gott, dass es Freitag den 13. gibt. Am Freitag den 13. muss Gott die Traummänner erschaffen haben, denke ich gerade und packe verträumt Lachs und Sekt aufs Fließband und fließe gemeinsam mit ihnen dahin. Dann werde ich gnadenlos in die Realität zurückkatapultiert. „HAAAALLOOOOOO, junge Frau! Das macht dann 8 Euro 68 Cent! Und zum hundertsten Mal, haben sie eine Payback Karte?“ Die Kassiererin schaut mich fragend an. Auch die Leute hinter mir schauen mich fragend an. „Oh, ach…äh…“ mir dämmert, dass ich gedanklich wohl wesentlich länger dahingeflossen bin als der Wildlachs und der Sekt auf dem Fließband. Peinlich berührt ob meiner Träumerei wühle ich nach den passenden Münzen. Mist. Ich dachte eigentlich, ich hätte noch genügend Bargeld. Seufzend ziehe ich die EC-Karte hervor und die Kassiererin zieht sie wiederum durch. Nichts passiert. Hitze steigt in mir auf. Im Kopf rattert es. Eigentlich müsste doch noch genug drauf sein, oder?! Oh, warum habe ich mir nur wieder diese sündhaft teuren Schuhe gekauft?! – Weil ich sie brauchte! Also, zumindest dachte ich in dem Moment, dass ich sie brauchte. In meinem Kopf rattert es also, während meine Karte nochmals durch den Schlitz gezogen wird. In der Schlange hinter mir kommt
Unruhe auf.
Nur mit viel Gehauche und Reiberei auf Seiten der Kassiererin und mehrfache Stoßgebete meinerseits, nimmt dieses blöde Kartenlesegerät dann endlich mein Plastikgeld an.
Hektisch raffe ich nun meine sieben Sachen zusammen. Ich will endlich zurück zu ihm, in mein warmes, weiches Kuschelbett und mich an sein wundervolles Waschbrett schmiegen. Verklärt schwebe ich zum Ausgang hinaus und nach Hause.
rosa lippinski am 18. Februar 12
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